Dass Wissenschaftsgeschichte auch spielerische und kreative Zugänge erlaubt, ja sogar braucht, zeigte der große Erfolg der Jubiläumsausstellung Ich sehe wunderbare Dinge. 100 Jahre Sammlungen der Goethe-Universität vom 19. Oktober 2014 bis zum 8. Februar 2015 im Museum Giersch. Anders als das phänomenale Jubiläumsfeuerwerk, war die Ausstellung kein Spektakel mit repräsentativer Absicht, sondern ein bisschen wie ein buntes Familientreffen. Mit viel Humor und Begeisterung für die Schätze der Universität wurden hier 450 Objekte aus vierzig Sammlungen zusammengestellt. Zu Themen, die die Menschheit bewegen, beispielsweise Zeit, Neugier, Idealbild und Tod, traten die Objekte in einen interdisziplinären Dialog. Die Gegenstände wurden nämlich nicht nur aus den Schränken, Schubladen und Kisten geholt, in denen sie normalerweise verstaut sind, sondern auch aus ihren ursprünglichen Sammlungskontexten herausgelöst. Auf diese Weise wurde ein Sehen und Denken angeregt, das sich nicht von vorgefertigten Inhalten leiten lässt, sondern vor allem von der eigenen Neugier. Lustige Zusammenhänge, überraschende Assoziationen, aber auch ambivalente Gefühle entstanden, während man durch die Ausstellung stöberte, über die Plastikjacke mit aufblasbaren Brüsten und Hüften (Jugendkulturarchiv) lachte, diese im nächsten Moment mit dem Idealbild der Antike, einem weiblichen Torso (Archäologische Abgusssammlung) verglich, bevor der Blick auf das orthopädische Stützkorsett (Universitätsklinikum) fiel usw.. Wer sich Kontext wünschte, wurde nicht enttäuscht. Einen wichtigen Teil der Ausstellung bildeten die vierzig Filme, in denen die Sammlungskuratoren von Studenten und Mitarbeitern der Universität zu ihrer Arbeit und den Beständen interviewt wurden.
Als die Historikerinnen Judith Blume, Vera Hierholzer und Lisa Reggazoni, die unter der Leitung von Charlotte Trümpler auch die Ausstellung kuratierten, vor vier Jahren damit begannen die Universitätsammlungen zu erforschen, waren gerade mal neun Sammlungen in der Datenbank für Universitätssammlungen in Deutschland verzeichnet. Zusammen mit Studenten aus unterschiedlichen Fachbereichen bildeten sie ein Forschungsteam, die Studiengruppe „ordnen, sammeln, darstellen“ und unternahmen regelmäßig Streifzüge durch die Universität. Sie lernten Sammlungskuratoren kennen, die sie über gut sortierte Bestände aufklärten, aber auch auf Dachböden und in Kellerräume zu vergessen Schätzen führten. Oft hängt das Budget und somit auch die Pflege der Sammlungen davon ab, ob sie aktiv in Forschung und Lehre eingebunden sind oder nurmehr frühere Forschung dokumentieren. Da die meisten Sammlungen nur den Mitgliedern der Fachbereiche bekannt waren, ging es der Gruppe vor allem darum, Zugänge zu schaffen, die einem breiten Publikum Einblicke in die Bestände und ein Verständnis für die Vielfalt wissenschaftlicher Forschung ermöglichen sollte. Der Umfang in dem Studenten in die Forschung und die Produktion von Texten für die Ausstellung und vor allem auch für die danach weiterbestehende online-plattform einbezogen wurden, ist einzigartig und dem besonderen Lehrformat der Studiengruppe, einer Innovation des Forschungszentrums für historische Geisteswissenschaften zu verdanken.
Die Ausstellung Ich sehe wunderbare Dinge. 100 Jahre Sammlungen der Goethe-Universität war die Auftaktveranstaltung einer auf 30 Jahre angelegten Kooperation zwischen Universität und Museum, das in MUSEUM GIERSCH der GOETHE-UNIVERSITÄT umbenannt wurde.