Im Sommer 1967 präsentierten Peter Roehr und Paul Maenz mit der Gruppenausstellung „Serielle Formationen“ in der Studiogalerie im Studentenhaus der Goethe Universität einen Überblick über die sich damals entwickelnden neuen Tendenzen. Roehr und Maenz zeigten hier bemerkenswert viele Künstler der Minimal, Conceptual, Pop und Op Art aus Europa und den USA. Zum ersten Mal wurden dabei in Deutschland auch minimalistische Arbeiten von Carl Andre, Dan Flavin, Donald Judd und Sol LeWitt präsentiert. Neben der Galerie Dato, der Galerie Loehr und der Zimmergalerie Franck gehörte die Studiogalerie zu den wenigen progressiven Ausstellungsräumen in Frankfurt. Obwohl die neuen Richtungen bereits auf der Documenta in Kassel gezeigt worden waren, sah man davon wenig in den kommerziellen Galerien oder den Ausstellungen des Frankfurter Kunstvereins.
Der Katalog zur Ausstellung „Serielle Formationen“ gilt heute als künstlerisches und kunsthistorisches Juwel (Hubertus Butin). Er enthält nicht nur eine präzise Liste der gezeigten Werke nebst Abbildungen. Die Einführungstexte von Siegfried Bartels, dem Leiter der Studiengalerie, Maenz und Roehr geben einen einzigartigen Einblick in die leidenschaftlich geführten Debatten jener Zeit. Mit eigenen Texten und Statements der Künstler regten die Initiatoren die Reflexion über das Verhältnis der Gesellschaft zum technischem Fortschritt an, das sich ihrer Meinung nach in der Serialität, die alle ausgestellten Arbeiten kennzeichnete, spiegelte. Künstlerischen Wert besitzt das Heft nicht zuletzt durch sechs beigelegte Druckgrafiken von teilnehmenden Künstlern, die, wie Butin treffend erklärt, „dem damaligen Zeitgeist entsprechend einer Politik der Demokratisierung der Kunst folgen.“
Das Vorwort zum Katalog klärt über den Leitgedanken der vom Asta finanzierten Galerie im Studierendenhaus auf dem Campus Bockenheim auf: Die Studiogalerie sollte die Studenten über neue Strömungen in der Kunst und Musik informierten. Zwischen 1964 und 1968 fanden hier Ausstellungen, Konzerte und Vorträge statt.
Diese Collage aus Dokumenten: Ausstellungskatalogen, Flyern und Bildern zeigt einen Ausschnitt des Programms in der Studiogalerie.
Serialität taucht in dieser Zeit nicht nur als Phänomen in der bildenden Kunst, sondern auch als Methode der elektronischen Musik auf. Nam June Paik, der als einer der ersten elektronische Kompositionen aus serieller Musik schuf, experimentiere seit Beginn der 60er Jahre mit Fernsehapparaten und entwickelte schließlich die Videotechnik, weshalb er heute als Vater der Videokunst gilt. Zusammen mit Charlotte Moormann realisierte er im Sommer 1965 und 1966 zwei Fluxus-Konzerte in der Studiogalerie.
Kunst verfolgte für Paik einen gesellschaftlichen Auftrag. Durch Eingriffe in die Fernsehtechnik und durch das Produzieren einer Videoästhetik brach er die Einbahnstrasse zwischen Sender und Empfänger auf. Paiks Manipulationen, wie auch seine Installationen aus Fernsehgeräten wendeten sich nicht gegen die Technik, sondern zeigten, dass diese humaner und kreativer zu gestalten ist. Paik strebte nach einer Demokratisierung des Mediums und einem interaktiven, die Menschen verbindenden Dialog, anstelle einer einseitigen Überflutung mit elektronischen Bildern.
Die Idee der Studiogalerie wurde kürzlich von jungen Künstlern aus Frankfurt wieder aufgegriffen, die ihre Arbeiten in der „neuen Studiogalerie“ präsentierten. Zu ihnen gehört Raul Gschrey, der am kunstpädagogischen Institut der Goethe Universität studiert hat. Seine Werkgruppe „Contemporary Closed Circuits – Subversive Dialoge“ von 2009 setzt sich mit den gesellschaftlichen Konsequenzen moderner Videoüberwachung auseinander. Gschrey spürte Überwachungskameras im öffentlichen Raum auf und machte u.a. den überwachten Bereich durch Markierungen sichtbar. Teile dieser Arbeit sind noch bis zum 23. Februar 2014 in der Ausstellung „Außer Kontrolle. Leben in einer überwachten Welt“ im Museum für Kommunikation Frankfurt zu sehen. mfk-frankfurt
Die Geschichte der Studiogalerie untersuche ich im Rahmen meiner Doktorarbeit „bilderSTURM. Kunst und Revolte an der Goethe-Universität Frankfurt in den 60er Jahren.“