Margit Seiler fragmentiert den Körper. In der Galerie Perpétuel sind zur Zeit zwei ihrer Serien neben mehreren Einzelarbeiten zu sehen. Seilers Penisse aus Stein liegen oder stehen aufgereiht in einer Vitrine. Zwei Finger, ein winziges Knie und ein noch kleinerer Torso flankieren die Reihe. Seiler arbeitet nicht nach der Natur, obwohl sie sie zeigt. Natürliche Formen wie die Rundungen eines Pos oder die Abstände zwischen den Fußzehen verwendet die Bildhauerin wie Formeln, mit denen sie autonome, von der Natur abstrahierte Gebilde schafft, die trotzdem noch auf sie verweisen. Durch das Arrangieren der verschieden farbigen Körperteile aus Stein (Alabaster, Speckstein und Selenite) entstehen neben einer Vielzahl von Assoziationen, auch verschiedene Lesarten. Die Präsentation in der Vitrine wirkt museal, wie eine Reihung von archäologischen Fundstücken. Und manche Betrachter denken bei Körperteilen hinter Glas nicht nur an Wissenschaft, sondern auch an Reliquienschreine. Die Einzelpräsentation der Plastiken auf schmalen Sockeln wirkt dagegen elegant. Der zierliche, kleine Fuss, das bruch- stückhafte Knie und ein unvollendet belassenes Becken erinnern an die Idealisierung des Körpers in der Kunst seit der Antike. Schnell denkt man auch an die zerstückelten Körper der Surrealisten. Vor allem bei jenen Körperteilen in der Vitrine, die für das Unterbewusste, für Lust und Trieb, für Fortpflanzung, aber auch für Krankheiten stehen. Der aufgerichtete Penis sieht aus wie ein prähistorisches Fruchtbarkeitssymbol. Seilers Zitate sind nicht ohne Humor. Sie arbeitet mit natürlichem und industriell hergestelltem Material und verleiht beidem durch Formgebung ein neue optische Qualität und damit Inhalt. Der Übergang von Unschuld zur aufreizenden Pose der jugendlichen Pobacken aus Y-tong an der Wand weckt in nicht wenigen Fällen die Lust des Betrachters. Er will sie anfassen. Die Oberfläche wirkt samtig wie Haut, ist aber rau, kalt und hart. Befriedigung stellt sich nicht durch Berührung ein, sondern durch Betrachtung. Die einfache Linie, das Spiel von Licht und Schatten und die Struktur der Oberfläche laden zur Kontemplation ein. Im sich Vertiefen in die Linie wird der Gegenstand vergessen. Man erreicht einen Zustand der Konzentration, der intensiven Wahrnehmung und tauscht einen Moment des Bewusstseins gegen die Getriebenheit im Alltag.
Die von Jean-Christophe Ammann kuratierte Ausstellung ist noch bis zum 15.02.2014 in der Oppenheimer Straße 39 zu sehen. Galerie Perpétuel